280108_albanien burell_peshkopi
Albanien, Mo 28.1.08, Etappe Burell - Peshkopi, 95km
Um ca. 23 Uhr geht dann doch die Tür auf.. zum Glück ist der arme Kerl nun selbst zu müde und wir verschieben den Kaffee auf den Morgen. Heute morgen erst erfahre ich, dass in der Nacht tatsächlich geschossen worden ist; soviel ich mitbekomme aus „Spass an der Freude“.
Irgndwo müssen die nach der zivilen Unrast Ende der 90er Jahre (entzündet am Bankrott der Banken, die hochverzinste Fonds im Schneeballprinzip herausgegeben hatten und von der die halbe Bevölkerung betroffen war, die sich wohl im kapitalistischen Wunderland angekommenen sah – und dann erst einmal die Kehrseite kennenlernte ..) aus den Arsenalen entwendeten Waffen ja hingekommen sein – und Burrell hat anscheinend als besonders wildes Kaff gegolten..
Nun, Fatmir hat nun aber ganz zivile Probleme, er sollte nämlich schon in der Schule sein, will aber den Kaffee nicht ausfallen lassen. Also schnell in eine Kneipe um die Ecke, einige tiefe Zigarettenzüge (hier rauchen ausnahmslos immer alle, und zwar Kette!) und ein Espresso runtergekippt.. dann trennen wir uns wie alte Freunde - und gehen unserer Wege.
Schon Ausgangs Burrell werde ich das nächste Mal eingeladen, diesmal von einem mich überholenden Auto; ein junger Kerl begrüsst mich in gutem Englisch und spricht für den Beifahrer, einen armamputierten Mann, dessen halbes Dorf in Deutschland leben soll und in das er mich einladen will. Dankend rede ich mich raus mit dem Termin heute Abend mit meinem Freund in Peshkopi, nicht ohne vorher noch ein Foto und das Verspechen gemacht zu haben, es zuzuschicken,
Kaum 3 Kilometer weiter fotografiere ich drei Heuhaufen, die mich wohl besonders anheimeln, weil sie mich an diejenigen bei meiner Nonna erinnern - wiederholt vergleiche ich die Stimmung hier mit derjenigen in Riminis Hinterland anfangs der Siebzigerjahre,. Von der gegenüberliegenden Strassemseite werde ich bei meinem seltsamen Tun beobachtet, von einem Bauern, der mich anspricht und danach zum Kaffee einlädt. Ich komme einfach nicht vorwärts heute, ich bin aber neugierig genug, das Angebot anzunehmen und sitze entsprechend schon bald in der Küche des Hauses zusammen mit der ganzen Familie beim türkischen Kaffee.. Konversation wie üblich mit Gesten, einigen Brocken italienisch, etwas Englisch etc. Es ist erstaunlich, wie viel wir uns trotzdem gegenseitig zusammenreimen können, so ist die eine Tochter des Hauses (mit Baby) verheiratet, der Mann arbeitet aber in Italien. Etwas ungewöhnlich erscheint mir, dass nur ich verpflegt und dabei von der ganzen Familie beobachtet werden, Wenigstens beim (eigenen!) fruchtigen Wein trinkt der Hausherr ein Gläschen mit.. da kann ich nicht gut ablehnen und hoffe, das süffige Ding ist nicht allzu schwer – wie soll ich sonst nur noch je die Berge hochkommen..
Die Entdeckungsreise geht weiter; vor einem anhand des auffallend farbigen Anstrichs von weitem als Schulhaus zu erkennenden Gebäudes ist eben Pause angesagt. Schnell überkommt die Kinder die Neugier - und so posieren sie bereitwillig für ein Foto. Das Schulsystem scheint also auch in den entlegenen Regionen zu funktionieren, ich werde heute noch ganzen Schüler-Völkerwanderungen erleben, wobei auch schon mal ein paar Jungs beweisen wollen, wie cool sie sind und schreiend neben mir herrennen, mich dabei auch etwas beunruhigen, drohen sie doch teilweise in den Lenker zu greifen..
Nun, die morgentliche Idylle war zu schön; im Laufe des Tages erklimme ich einige Höhenmeter, bei noch immer sehr geringem Verkehr, nur die Mercedes-Sammeltaxis und ein paar Camions sind ausser mir unterwegs. Strassenverhältnisse unverändert OK, Schlaglochpisten wechseln im 100m-Takt ab mit tadellosen neu asphaltierten Abschnitten – nur der Wind macht mir zu Schaffen, vor allem vor ... lässt er mich fast verzweifeln und kurz in Panik geraten. Nur mit Mühe schaff ich es über eine Hügelkuppe, einige Meter davon in Schräglage schiebend und in Angst, ich käme überhaupt nicht mehr weiter.. Im Ort selbst dann ein Kurzhalt in einer düsteren Kneipe, also schnell weiter.. Ziemlich erschöpft und mit allerletzter Kraft die Steigung ins Städtchen hochwürgend erreiche ich um ca. 15 Uhr ...... – kaum in einem kleinen Tante-Emma-Laden eine Schokolade gekauft ist wieder alles gut. Etwas „smalltalk mit grossen Gesten“ und auf meine Frage nach dem Café oberhalb seines Ladens reicht er mich weiter an ein anderes, das von einem Verwandten geführt wird. Hier ist es schön warm – leider funktioniert aber die Espresso-Maschine nicht – Stromausfall... Nun, ein Tee tut mir mindestens so gut und ein zusammen mit dem einzigen anderen Gast wird weiter parliert..
Nur ungern verlasse ich den Ort, es stehen nochmals schwere Kilometer an, natürlich wieder im Gegenwind. Die ersten Hügel sind geschafft, wie die Sonne ihr herrlichstes Licht über das Dorf neben mir ausbreitet; mit dem Schnee über dem Gipfel dahinter und der Kleinstmoschee im 20-Seelen-Nest ein Fernwehbild fürs persönliche „best-of“ Album. Nun kann mir wohl nichts mehr passieren, ich werde Pershkopi noch knapp bei Tageslicht erreichen! Das wird aber auch höchste Zeit, ich krieg kaum die Worte zusammen um nach dem Hotel zu fragen, in dem wir abgemacht haben – meine Gesichtsmuskeln sind vom Wind in eine Halbstarre geblasen worden.. Ich bin wirklich da, im Hotel ... in Pershkopi, noch kann ich es kaum fassen. Jetzt muss es Adamo nur auch geschafft haben, noch ist er nicht angekommen. Nach Dusche, die trotz etwas sozialistischen Mief ausstrahlenden Hauses richtig heisses Wasser bietet, falle ich glücklich aufs Bett, lausche dem wieder laut pfeiffenden Wind und hoffe, Adamo ist nicht noch draussen auf der Piste... Ich gehe nicht davon aus, dass ich ihn heute Abend noch treffen werde.
Kaum gedacht hör ich schon seine markante Stimme, er hat sich wirklich durchgeschlagen, über die wilde Backroad sozusagen ohne Verkehr, dafür mit umso schlechterem Schotter. Er hat sich „auf die Aeste hinaus gewagt“ – ohne einen Lift in letzter Minute vom wohl letzten Kleinbus dieses Tages wäre er so richtig „am Arsch“ gewesen. Sein Selbstvertrauen müsste man haben..! Wie auch immer, wir fallen uns beinahe in die Arme, so erfreut sind wir beide, dass es so perfekt geklappt hat mit unserer Reunion, die von vielen Fragezeichen begleitet war!
Einen Ort für den Wiedersehens-Drink und etwas zum Beissen zu finden erweist sich als nicht so einfach – das dunkle Städtchen, es ist mal wieder „black-out-time“, scheint die Rolladen schon heruntergelassen zu haben, erst beim Konkurrenten unseres Hotels werden wir fündig. Müde und glücklich beziehen wir dann schon bald unsere zwei Einzelzimmer (das erste und letzte Mal auf unserer gemeinsamen Reise)...
Read MoreUm ca. 23 Uhr geht dann doch die Tür auf.. zum Glück ist der arme Kerl nun selbst zu müde und wir verschieben den Kaffee auf den Morgen. Heute morgen erst erfahre ich, dass in der Nacht tatsächlich geschossen worden ist; soviel ich mitbekomme aus „Spass an der Freude“.
Irgndwo müssen die nach der zivilen Unrast Ende der 90er Jahre (entzündet am Bankrott der Banken, die hochverzinste Fonds im Schneeballprinzip herausgegeben hatten und von der die halbe Bevölkerung betroffen war, die sich wohl im kapitalistischen Wunderland angekommenen sah – und dann erst einmal die Kehrseite kennenlernte ..) aus den Arsenalen entwendeten Waffen ja hingekommen sein – und Burrell hat anscheinend als besonders wildes Kaff gegolten..
Nun, Fatmir hat nun aber ganz zivile Probleme, er sollte nämlich schon in der Schule sein, will aber den Kaffee nicht ausfallen lassen. Also schnell in eine Kneipe um die Ecke, einige tiefe Zigarettenzüge (hier rauchen ausnahmslos immer alle, und zwar Kette!) und ein Espresso runtergekippt.. dann trennen wir uns wie alte Freunde - und gehen unserer Wege.
Schon Ausgangs Burrell werde ich das nächste Mal eingeladen, diesmal von einem mich überholenden Auto; ein junger Kerl begrüsst mich in gutem Englisch und spricht für den Beifahrer, einen armamputierten Mann, dessen halbes Dorf in Deutschland leben soll und in das er mich einladen will. Dankend rede ich mich raus mit dem Termin heute Abend mit meinem Freund in Peshkopi, nicht ohne vorher noch ein Foto und das Verspechen gemacht zu haben, es zuzuschicken,
Kaum 3 Kilometer weiter fotografiere ich drei Heuhaufen, die mich wohl besonders anheimeln, weil sie mich an diejenigen bei meiner Nonna erinnern - wiederholt vergleiche ich die Stimmung hier mit derjenigen in Riminis Hinterland anfangs der Siebzigerjahre,. Von der gegenüberliegenden Strassemseite werde ich bei meinem seltsamen Tun beobachtet, von einem Bauern, der mich anspricht und danach zum Kaffee einlädt. Ich komme einfach nicht vorwärts heute, ich bin aber neugierig genug, das Angebot anzunehmen und sitze entsprechend schon bald in der Küche des Hauses zusammen mit der ganzen Familie beim türkischen Kaffee.. Konversation wie üblich mit Gesten, einigen Brocken italienisch, etwas Englisch etc. Es ist erstaunlich, wie viel wir uns trotzdem gegenseitig zusammenreimen können, so ist die eine Tochter des Hauses (mit Baby) verheiratet, der Mann arbeitet aber in Italien. Etwas ungewöhnlich erscheint mir, dass nur ich verpflegt und dabei von der ganzen Familie beobachtet werden, Wenigstens beim (eigenen!) fruchtigen Wein trinkt der Hausherr ein Gläschen mit.. da kann ich nicht gut ablehnen und hoffe, das süffige Ding ist nicht allzu schwer – wie soll ich sonst nur noch je die Berge hochkommen..
Die Entdeckungsreise geht weiter; vor einem anhand des auffallend farbigen Anstrichs von weitem als Schulhaus zu erkennenden Gebäudes ist eben Pause angesagt. Schnell überkommt die Kinder die Neugier - und so posieren sie bereitwillig für ein Foto. Das Schulsystem scheint also auch in den entlegenen Regionen zu funktionieren, ich werde heute noch ganzen Schüler-Völkerwanderungen erleben, wobei auch schon mal ein paar Jungs beweisen wollen, wie cool sie sind und schreiend neben mir herrennen, mich dabei auch etwas beunruhigen, drohen sie doch teilweise in den Lenker zu greifen..
Nun, die morgentliche Idylle war zu schön; im Laufe des Tages erklimme ich einige Höhenmeter, bei noch immer sehr geringem Verkehr, nur die Mercedes-Sammeltaxis und ein paar Camions sind ausser mir unterwegs. Strassenverhältnisse unverändert OK, Schlaglochpisten wechseln im 100m-Takt ab mit tadellosen neu asphaltierten Abschnitten – nur der Wind macht mir zu Schaffen, vor allem vor ... lässt er mich fast verzweifeln und kurz in Panik geraten. Nur mit Mühe schaff ich es über eine Hügelkuppe, einige Meter davon in Schräglage schiebend und in Angst, ich käme überhaupt nicht mehr weiter.. Im Ort selbst dann ein Kurzhalt in einer düsteren Kneipe, also schnell weiter.. Ziemlich erschöpft und mit allerletzter Kraft die Steigung ins Städtchen hochwürgend erreiche ich um ca. 15 Uhr ...... – kaum in einem kleinen Tante-Emma-Laden eine Schokolade gekauft ist wieder alles gut. Etwas „smalltalk mit grossen Gesten“ und auf meine Frage nach dem Café oberhalb seines Ladens reicht er mich weiter an ein anderes, das von einem Verwandten geführt wird. Hier ist es schön warm – leider funktioniert aber die Espresso-Maschine nicht – Stromausfall... Nun, ein Tee tut mir mindestens so gut und ein zusammen mit dem einzigen anderen Gast wird weiter parliert..
Nur ungern verlasse ich den Ort, es stehen nochmals schwere Kilometer an, natürlich wieder im Gegenwind. Die ersten Hügel sind geschafft, wie die Sonne ihr herrlichstes Licht über das Dorf neben mir ausbreitet; mit dem Schnee über dem Gipfel dahinter und der Kleinstmoschee im 20-Seelen-Nest ein Fernwehbild fürs persönliche „best-of“ Album. Nun kann mir wohl nichts mehr passieren, ich werde Pershkopi noch knapp bei Tageslicht erreichen! Das wird aber auch höchste Zeit, ich krieg kaum die Worte zusammen um nach dem Hotel zu fragen, in dem wir abgemacht haben – meine Gesichtsmuskeln sind vom Wind in eine Halbstarre geblasen worden.. Ich bin wirklich da, im Hotel ... in Pershkopi, noch kann ich es kaum fassen. Jetzt muss es Adamo nur auch geschafft haben, noch ist er nicht angekommen. Nach Dusche, die trotz etwas sozialistischen Mief ausstrahlenden Hauses richtig heisses Wasser bietet, falle ich glücklich aufs Bett, lausche dem wieder laut pfeiffenden Wind und hoffe, Adamo ist nicht noch draussen auf der Piste... Ich gehe nicht davon aus, dass ich ihn heute Abend noch treffen werde.
Kaum gedacht hör ich schon seine markante Stimme, er hat sich wirklich durchgeschlagen, über die wilde Backroad sozusagen ohne Verkehr, dafür mit umso schlechterem Schotter. Er hat sich „auf die Aeste hinaus gewagt“ – ohne einen Lift in letzter Minute vom wohl letzten Kleinbus dieses Tages wäre er so richtig „am Arsch“ gewesen. Sein Selbstvertrauen müsste man haben..! Wie auch immer, wir fallen uns beinahe in die Arme, so erfreut sind wir beide, dass es so perfekt geklappt hat mit unserer Reunion, die von vielen Fragezeichen begleitet war!
Einen Ort für den Wiedersehens-Drink und etwas zum Beissen zu finden erweist sich als nicht so einfach – das dunkle Städtchen, es ist mal wieder „black-out-time“, scheint die Rolladen schon heruntergelassen zu haben, erst beim Konkurrenten unseres Hotels werden wir fündig. Müde und glücklich beziehen wir dann schon bald unsere zwei Einzelzimmer (das erste und letzte Mal auf unserer gemeinsamen Reise)...